„Als wir früher mit unseren Eltern irgendwo hingefahren sind, habe ich immer aus dem Fenster geschaut. Meine Kinder brauchen schon für kurze Strecken einen Film.“ „Früher bin ich mit meinen Freunden um die Häuser gezogen, wir haben dabei viel Unsinn angestellt, meine gehen ohne erwachsene Begleitung nicht aus dem Haus.“ „In meiner Kindheit waren Hinterhof und Straße unser Spielplatz, da haben sich die Nachbarn oft über unseren Lärm aufgeregt.“ Hört man heutigen Eltern zu, spürt man Wehmut in den Geschichten, die sie von ihrer Kindheit erzählen. Es ist als vermissen sie die Freiheit, mit der sie ihre eigene Kindheit gelebt haben, fahren aber gleichzeitig die eigenen Kinder von Ort zu Ort.
Carry, Care and Entertain: Das ist Kindheit heute
Auch die Medien suggerieren, ja keine Zeit mit den Kindern zu versäumen, denn Besuche von Museen und Theatern und mit Erwachsenen verbrachte Zeit erhöhen die Bildungschancen. Doch Kinder haben ein Recht auf ihre eigene Zeit, darauf diese selbstgeplant und unbeobachtet mit anderen Kindern zu verbringen. Natürlich erleben Kinder dabei auch Langeweile, ein wichtiges Triebmittel für Kreativität. Machen Kinder Unsinn, nützt dies der Auseinandersetzung mit Regeln, verantwortliches Handeln wird gelernt. Es lohnt sich also, quengelnde Kinder zu ertragen und sie nicht mit Hilfe fragwürdiger Unterhaltungsmethoden abzulenken. Erzieher können Eltern in diesen Fragen beraten und viel dafür tun, den überbehüteten Kindern einen Ausgleich zu verschaffen. Wie wäre es mit einer fahrzeugfreien Bringezeit: Alle kommen zu Fuß und auf dem nächsten Elternabend stellen die Eltern vor, was die Kinder auf dem Weg gesehen oder erlebt haben.
In vielen Kindergärten gibt es Projekte, die Kinder geradezu herausfordern, selbst ihren Tag zu organisieren. Spielzeugfreie Zeiten, offene Arbeit und die Übertragung von vielerlei Diensten gehören dazu. Denn in dem Wort Aufsichtspflicht steckt keineswegs die Pflicht zur Beaufsichtigung. Es geht darum, Kinder in einer für sie geeigneten Umgebung ihrem Entwicklungsstand entsprechend aufwachsen zu lassen. Strikte Gruppen- und Tagesstrukturen lassen kaum Raum für eigene Ideen. In offenen Kindergärten können Kinder sich zurückziehen, Freunde auch in den anderen Gruppen finden und die vorhandenen Räume auf ihre eigene Weise nutzen. Trotzdem sind Regeln wichtig, die von Kindern verstanden werden und an deren Einhaltung immer wieder erinnert wird.
Erfahrungen bieten – kein Unterhaltungsprogramm
Auch wenn der Bildungskindergarten in aller Munde ist, zu viel organisierte Angebote und Ausflüge verhindern wirkliches Lernen. Also liebe Erzieherinnen, lassen Sie den Sechssitzer stehen und die Krippenkinder lieber im Garten herumlaufen. Ein Besuch bei der Feuerwehr reicht aus, es ist weder nötig noch besonders sinnvoll, am nächsten Tag die Müllabfuhr und am Tag darauf den Krankenwagen zu besichtigen. Kindergärten sollen für Erfahrungen sorgen und kein Unterhaltungsprogramm abspulen.
Tipp zum Weiterlesen:
Nachhaltige Erziehung in Krippe und Kindergarten
Das Slow School Konzept
16,80 €
Penny Ritscher
144 Seiten
Bananenblau 2015
ISBN 978-3-942334-46-4
www.bananenblau.de